Bentleys Bentayga EWB: Luxuriöse Jacht auf vier Rädern überzeugt

Noch vor nicht allzu langer Zeit boten vor allem große Limousinen das Maximum an Luxus. Eine elegante Limousine war die Quintessenz eines repräsentativen Fahrzeugs. Aus dem Fond dieser mehrere Meter langen, schlanken Karosserie vor dem Theater, einem Restaurant oder einem anderen Treffpunkt auszusteigen, war Ausdruck von Status. Es kam jemand Bedeutendes.

In der Zwischenzeit bedeutete das Aussteigen aus dem Fond eines SUVs in der Regel, dass Mama dich zum Fußballtraining gebracht hat. Diese riesigen Autos wurden die Lieblinge der Familien und verdrängten Kombis und Vans vom Markt. Mit der Zeit begannen sie auch Limousinen als Statussymbol zu verdrängen. Sie wurden die Lieblinge der Buchhalter bei Premiummarken – hohe Margen, Warteschlangen von Kunden – was will man mehr?

So kamen wir zu einem Punkt, an dem eigentlich jede Marke (außer den Kleinserienherstellern) einen SUV in ihrem Portfolio hat, auch wenn sie so tut, als hätte sie keinen. Schauen wir uns der Wahrheit ins Auge – sie haben einen (ich schaue hier sehr bedeutsam Richtung Maranello). Da es eine große, sehr formbare Karosserie ist – leicht von außen wie von innen zu gestalten –, hat sich Bentley entschieden, eine luxuriöse Interpretation dieses Fahrzeugs zu schaffen. So entstand die Bentayga. Aber damit endete nicht das Rezept für das Auto, das heute vor mir steht.

Im Jahr 2020 verschwand das phänomenale Modell Mulsanne aus dem Bentley-Portfolio. Diese Flaggschiff-Limousine verkörperte alles, was ich oben beschrieben habe. Sie war sowohl Ausdruck finanzieller Möglichkeiten als auch des ausgezeichneten Geschmacks ihres Besitzers. Jeder, der das Auto live gesehen hat, weiß, dass es eine Klasse für sich war. Der große Sedan in Schiffsdimensionen erhielt keinen direkten Nachfolger, aber Bentley wollte dennoch etwas in seinem Angebot haben, das die Frage des Kunden nach maximalem Luxus beantwortet.

Deshalb haben die Briten die Bentayga EWB entwickelt. Diese Abkürzung steht für „Extended WheelBase“, also verlängerter Radstand. Die EWB-Variante ist 18 cm länger als das Standardmodell. Diese zusätzliche Länge wurde komplett zwischen den B- und C-Säulen eingefügt, was eindeutig darauf hinweist, dass das Ziel war, den maximalen Raum für die Rücksitze zu schaffen.

Auf diese Weise hat Bentley die Größe dieses Fahrzeugs auf Jachtproportionen verändert. Seit der Einführung der normalen Bentayga dachte ich, dass es eine der besten Übertragungen der Design-Sprache der Marke von Sportmodellen auf einem SUV ist. In der EWB-Version wurde dieses Design auf ein noch höheres Niveau gehoben, da das Auto schlanker wirkt.

Gleichzeitig bleibt kein Zweifel – es ist ein Bentley. Egal von welcher Seite man schaut, die Formen dieses Autos tragen die gleiche, perfekt bekannte Handschrift. Die Prägung auf der Seite, die vom vorderen Kotflügel bis zur markanten Muskelkonturierung auf der hinteren Tür führt, ist das Rezept, das die Designer aus Crewe zur Perfektion gebracht haben.

Zufällig kam die Bentayga EWB zu mir in zwei Ausführungen – Azure: ein Exemplar in perlmuttfarbenem Ghost White Lack (278.000 EUR in der getesteten Konfiguration) und Mulliner: eine spektakuläre Maschine in Grey Violet Lack (304.000 EUR im getesteten Modell). Von außen lassen sie sich am leichtesten durch den Grill unterscheiden – bei der Azure Bentayga hat der Grill vertikale Rippen, während er beim Mulliner-Modell in einem feinen trapezförmigen Muster schimmert, als wären dort ordentlich angeordnete Edelsteine gesetzt. Beide Varianten harmonieren hervorragend mit den kristallklaren Einsätzen der so charakteristischen, runden Scheinwerfer.

Der Kern der Bentayga EWB liegt jedoch nicht in der monumentalen Karosserie, sondern im luxuriösen Innenraum, der mit unglaublicher Liebe zum Detail gefertigt ist. Die hinteren Sitze sind der Schlüssel natürlich. Das Auto hat ein Layout, das als 4+1 bezeichnet wird. Trotz der ausladenden Mittelkonsole zwischen den beiden "Flugzeugsitzen" hinten, die einen Kühlschrank und stilvolle Halterungen für Champagnerflöten beherbergt, konnte ein dritter Sitzplatz untergebracht werden, der bei Bedarf noch eine Person mitnehmen kann.

Meistens jedoch werden diese Sitze in der Version mit offenen Armlehnen benutzt. Ausgestattet mit einer Vielzahl von Verstellmöglichkeiten und der Option, die Lehnen fast flachzulegen, verfügen sie über Funktionen wie „Seat Auto Climate“, die dafür sorgt, dass der Sitz perfekt auf die Körpertemperatur des Passagiers belüftet und beheizt wird, sowie „Postural Adjust“, das Mikroanpassungen der Einstellungen während langer Fahrten vornimmt, um das Ermüdungsniveau zu reduzieren.

Für den Komfort der Passagiere, die hinten einsteigen, hat Bentley in der Bentayga EWB auch elektrisch schließbare Türen eingebaut. Dies kann manuell oder mit elektrischer Unterstützung erfolgen. Dies ist wirklich eine nützliche Funktion, wenn man selbst hinten einsteigt, da der verlängerte Radstand die Türen sehr schwer gemacht hat.

Damit der Komfort nicht nur bei den Sitzen endet, haben die Briten in der verlängerten Bentayga das System „Bentley Dynamic Ride“ eingebaut, das aus zwei elektronisch gesteuerten Stabilisatoren besteht, die sich bei Kurvenfahrten automatisch versteifen. Auf geraden Strecken entspannt sich das System und reduziert das Empfinden von Unebenheiten.

Die Passagiere im hinteren Bereich der Bentayga genießen also maximalen Komfort. Doch bekommt der Fahrer das, was ebenso stark in der DNA von Bentley verankert ist, nämlich ein wenig Freude am sportlichen Fahren? Ich hatte diesbezüglich anfangs Zweifel. Das ist bereits ein riesiges Auto und es ist schwer, die Physik in diesem Ausmaß zu täuschen.

Und dennoch – Bentley hat es geschafft. Es ist natürlich kein rein sportliches Auto, aber das Fahrwerk arbeitet auf einem unglaublichen Niveau und hält die monumentale Karosserie selbst in Situationen in Schach, in denen der Fahrer die Geschwindigkeit beim Durchfahren der kommenden Kurvenfolge falsch eingeschätzt hat. Die mächtige Bentayga schwingt sich überraschend agil in die Kurven und noch agiler wieder heraus.

Unter der langen Motorhaube des britischen SUVs arbeitet ein 4-Liter-V8-Motor, dessen Leistung durch zwei Turbolader auf 550 PS und ein Drehmoment von 770 Nm gesteigert wird. Obwohl man bei dieser Leistung ein gewisses Maß an Brutalität erwarten könnte, dosiert Bentley die Eindrücke auf sehr zurückhaltende Weise. Die Reaktion auf das Gaspedal ist sofort, aber es gibt keinen Hauch von Vulgarität. Man spürt und hört, wie der V8 dem Geschehen draußen Tempo vorgibt, aber nichts passiert abrupt.

Im Sportmodus bewältigt das 8-Gang-Getriebe von ZF das beeindruckende Drehmoment meisterhaft und leitet es über ein Torsen-Differential an die vier Räder. Wenn der Drehknopf einfach auf den B-Modus eingestellt ist, der mit einem runden Buchstaben aus dem Bentley-Logo versehen ist (ja, in diesem Auto ist nichts normal, also warum sollte der Modus Normal heißen?), erfolgt alles mit samtiger Geschmeidigkeit. Der V8 arbeitet noch ruhiger und schiebt das Auto langsam, aber beständig voran, ohne den Frieden im Inneren zu stören.

Bei diesem Phänomen habe ich jedoch ein „aber“. Die Ausführung des gesamten Autos ist erstklassig. Die Leder sind handwerklich perfekt verarbeitet. Auf der Spitzenposition des Armaturenbretts thront eine herrliche, analoge Uhr, eingefasst in poliertem Metall, das auch die Lüftungsöffnungen umgibt. Dazu kommt eine unglaubliche Palette von Materialien, mit denen das Interieur ausgestattet werden kann, was beide Versionen hervorragend zeigen – Bentley spielt hier eindeutig in der ersten Liga, wenn es um Luxus geht. Sogar die Abdeckungen der Sitzschienen sind in wunderschönen, verchromten Kappen verborgen. Und trotzdem hat das Expertenteam aus Crewe an einem Punkt nachgelassen.

Die Schaltwippen hinter dem Lenkrad sind einfach Plastikteile, die direkt aus einem Audi übernommen wurden. Das ist für mich unverständlich, da Bentley im scheidenden Continental GT einen Satz hatte, der wie handgefertigter Schmuck aussah. Die gerändelten Einfassungen der Schaltwippen im Gran Turismo von Bentley zeigen, dass dieses eine Detail auch besser gemacht werden könnte.

Viele Leute kritisieren auch das Lenkrad, weil es von den Konzernverwandten aus Ingolstadt stammt, aber meiner Meinung nach ist daran nichts verkehrt – ja, die Form ist bekannt, aber es ist hochwertig verarbeitet, fühlt sich großartig an und alles daran funktioniert einwandfrei. Aber die Plastikschaltwippen dahinter sind ein Niveau niedriger als der Rest dieses britischen Kunstwerks.

Dieser kleine Makel ist im Alltag jedoch nahezu unsichtbar. Die Bentayga EWB ist das höchste erreichbare Niveau dessen, was ein luxuriöser SUV sein kann. Sie bietet alles, was wir bisher von Limousinen erwartet haben. Das ist maximaler Luxus, gekleidet in neuen, spektakulären Gewändern.