Europa gefordert: Ohne US‑Schutz Frieden in Ukraine sichern
Der US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hat die Teilnahme von US-Streitkräften an einem Kontingent, das nach dem Ende des Krieges in der Ukraine die Einhaltung des Friedens durch Russland erzwingen könnte, eindeutig ausgeschlossen. Die Verantwortung liegt nun bei Europa. Wie kann der alte Kontinent die Ukraine vor russischer Aggression schützen?
Die Aussagen des Pentagon-Chefs Pete Hegseth verdeutlichen, dass die Vereinigten Staaten Sicherheitsgarantien für die Ukraine wünschen, die sich aus der Anwesenheit europäischer und nichteuropäischer Truppen auf ihrem Territorium ergeben.
Dieses Kontingent soll ohne die Beteiligung der Amerikaner aufgestellt werden und wäre keine NATO-Operation, sodass die daran teilnehmenden Streitkräfte nicht den Sicherheitsgarantien der Allianz unterliegen würden.
Amerikanische Kommentatoren äußern Zweifel an dieser Formel der Friedenstruppen. Wie Steven Erlanger von der "New York Times" feststellt, "wären die europäischen Streitkräfte ohne amerikanisches Engagement in einer solchen Operation - mit amerikanischer Luftunterstützung, Luftabwehr und nachrichtendienstlichen Informationen - ernsthaften Risiken ausgesetzt".
Verlorenes Potenzial
Unabhängig von den politischen Bedingungen solcher Aktionen ist es wichtig, die Frage zu beantworten, ob Europa überhaupt in der Lage ist, ein ausreichend starkes Kontingent aufzustellen.
Seit dem Ende des Kalten Krieges hat Europa von der "Friedensdividende" profitiert, deren globaler Garant die Vereinigten Staaten wurden. Die geringe Wahrscheinlichkeit eines neuen Krieges führte dazu, dass der alte Kontinent - der noch in den 1980er Jahren über eine florierende Rüstungsindustrie und mächtige Streitkräfte verfügte - begann, sich zu entwaffnen und die über Jahre aufgebauten Fähigkeiten verlor.
Ein Maß für diesen Verlust ist die Tatsache, dass heute - abgesehen von Deutschland - kein europäisches NATO-Land in der Lage ist, Panzer zu bauen (britische Challenger 3 werden mit deutscher Hilfe hergestellt), Kampfflugzeuge der 5. Generation müssen aus den Vereinigten Staaten beschafft werden, und die jährliche Produktion von Artilleriegeschossen lag vor dem russischen Angriff auf die Ukraine bei 20.000-30.000 Stück, was weniger ist, als die Ukraine in einer Woche verbraucht.
Europäisches Friedenskontingent
Wenn Präsident Selenskyj von 200.000 Friedenskräften spricht, sollte man sich bewusst machen, dass die größte NATO-Armee in Europa (ausgenommen die Türkei) die polnische Armee ist (216.000 Soldaten), und nur die französische Armee überschreitet leicht die Marke von 200.000 (204.000 Soldaten).
Deshalb - wie unter anderem die "New York Times" hinweist - könnte die Schaffung eines weniger umfangreichen, als von den Ukrainern gefordert, 40.000-Mann-Friedenskontingents eine ernsthafte Herausforderung für Europa darstellen, ist jedoch nicht unmöglich.
Europäische Truppen, amerikanische Hilfe
Der Rückgriff auf die Unterstützung der USA ist kein Zufall - über Jahre hinweg hat Europa hauptsächlich kleine Expeditionskontingente entsandt, die von einer deutlichen technologischen Überlegenheit profitierten, wie im Fall der nach Afghanistan entsandten Streitkräfte oder der französischen Intervention in Mali. Die letzte große Operation mit Beteiligung schwerer europäischer Streitkräfte war die Operation Wüstensturm 1991, bei der eine Koalition von 27 Ländern gegen die irakische Armee antrat.
Unterdessen können die Friedenstruppen in der Ukraine - worauf auch die Amerikaner hinweisen - nicht nur die Rolle eines "Stolpersteins" spielen. Sie müssen über gepanzertes Gerät, starke Artillerie, Luftunterstützung und eine wirksame Luftverteidigung verfügen.
Ein zu schwaches Kontingent - in einer Situation, in der es nicht durch NATO-Garantien oder die Zusage amerikanischer Unterstützung geschützt ist - könnte Russland dazu ermutigen, seine tatsächlichen Fähigkeiten zu testen. Daher ist es schwer vorstellbar, dass es ohne Kooperation und Unterstützung Washingtons gebildet wird.