Musk heizt AfD‑Wahlkampf an: Provokation gegen Erinnerungskultur
Der Multimilliardär und Vertraute von Donald Trump, Elon Musk, hat die deutsche Partei AfD schon mehrfach unterstützt. Bei der Einweihung ihrer Wahlkampagne heizte er die Stimmung weiter an. Warum?
"Larger than life" (wörtlich "größer als das Leben") ist in den USA ein Modeausdruck für Menschen mit außergewöhnlicher Ausstrahlung und Erfolg. In dieser Weise trat Elon Musk während der Eröffnung der Wahlkampagne der AfD am Samstag, dem 25. Januar, auf.
Im wahrsten Sinne des Wortes: Mit geballten Fäusten und in Siegespose präsentierte sich der Multimilliardär auf dem riesigen Bildschirm der Messehalle in Halle, Sachsen-Anhalt. Die Anhänger der Alternative für Deutschland feuerten ihn an, indem sie schwarz-rot-goldene deutsche Fahnen schwenkten.
"Frontalangriff auf die deutsche Erinnerungskultur"
Zwei Tage vor dem 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, des größten deutschen nationalsozialistischen Vernichtungslagers, sprach Musk zu seinen Zuhörern darüber, dass Deutschland zu viel Wert auf "Schuld aus der Vergangenheit" lege. - Kinder sollten nicht für die Sünden ihrer Eltern, geschweige denn ihrer Urgroßeltern verantwortlich gemacht werden - sagte er.
Für den Historiker Matthias Wehowski ist dies ein "Frontalangriff der AfD auf die deutsche Erinnerungskultur mithilfe des Oligarchen Musk". Wehowski äußerte sich auf seinem Kanal in den sozialen Medien: "Es lässt sich nicht stark genug betonen, wie gefährlich das für die Demokratie ist." Der Historiker arbeitet unter anderem am Hannah Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden.
Die deutsche Erinnerungskultur widmet sich vor allem dem Gedenken an die unter der Herrschaft Adolf Hitlers (1933-1945) an Millionen Menschen begangenen Verbrechen, darunter den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg. Seit den 1990er Jahren umfasst sie jedoch auch die Aufarbeitung der sozialistischen SED-Diktatur in der DDR (1949-1990).
AfD - rechtsextrem? Musk stellt das in Frage
Die AfD kritisiert diese Erinnerungskultur seit Jahren. Dazu gehören Theorien, dass die Erinnerungskultur einen gesunden Nationalstolz verhindere und eine Politik fördere, die Deutschland schade.
Ihr nationalistischer Diskurs umfasst auch Forderungen nach erheblichen Einschränkungen der Migration in die Bundesrepublik Deutschland, konsequenter Abschiebung von Personen, die das Land verlassen müssen, und erhöhtem Druck auf Einwanderer. Die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel verwendet offensiv das Schlagwort "Reemigration". AfD-Mitglieder wettern auch häufig gegen Gender-Studien und die LGBTQ+-Gemeinschaft.
Von den deutschen Medien wird die AfD als rechtspopulistisch oder rechtsextrem bezeichnet. Unter anderem wegen der rhetorischen Nähe zu den Nazis klassifiziert der deutsche Verfassungsschutz viele Parteimitglieder und drei Landesverbände als "entschieden rechtsextrem".
Elon Musk widersprach dem bereits Ende Dezember des letzten Jahres. In einem Gastbeitrag für die Zeitung "Welt am Sonntag" schrieb er, dass "die Darstellung der AfD als rechtsextrem ist eindeutig falsch, wenn man bedenkt, dass Alice Weidel, die Vorsitzende der Partei, eine gleichgeschlechtliche Partnerin aus Sri Lanka hat! Klingt das für Sie nach Hitler?" – fragte er.
Musk: "Kämpft für eine großartige Zukunft für Deutschland!"
Als aktive Unterstützung der AfD im Bundestagswahlkampf wird auch ein einstündiges Gespräch zwischen Musk und Weidel in Musks sozialem Netzwerk X angesehen, das in der ersten Januarhälfte stattfand. "Nur die AfD kann Deutschland retten", schrieb Musk zuvor auf X.
Am Samstag in Halle rief er dem jubelnden Publikum zu: "Kämpft für eine große Zukunft für Deutschland!", als wären sie die Auserwählten. Der Multimilliardär betonte auch die Bedeutung der bevorstehenden Wahlen. "Das Schicksal Europas, das Schicksal der Welt könnten an dieser Wahl hängen," möglicherweise sogar die "Zukunft der Zivilisation" - sagte er.
Mit ähnlichen Aufrufen unterstützte er den US-Präsidenten Donald Trump in seinem Wahlkampf. Außerhalb der USA steht Musk nicht nur mit der AfD in Kontakt. Er soll auch die italienische Premierministerin Giorgia Meloni von der Partei Brüder Italiens unterstützen.
Rechter Ideologe?
Elon Musk ist ein visionärer Unternehmer. Dank Tesla hat er den globalen Automobilmarkt erschüttert. Mit seinem Unternehmen SpaceX baut er ein globales Satellitennetz auf, das bereits jetzt den Internetzugang in den entlegensten Ecken der Welt ermöglicht. Eines seiner erklärten Ziele ist die Besiedlung des Mars. Bestehende Strukturen durch neue Lösungen zu zerstören, ist für ihn die Norm und nicht die Ausnahme.
In diesem Zusammenhang ist es verständlich, dass Musk eine Politik, die dem Staat nur minimale gesetzgeberische Befugnisse einräumt, begrüßen würde. Wahrscheinlich sieht er solche Ideen auch in der AfD, sagte der Politikberater und Social-Media-Spezialist Martin Fuchs gegenüber dem Radiosender BR.
Neben dem Nationalismus setzt sich die Partei auch für wirtschaftliche Deregulierung ein und – in diesem Zusammenhang – für die Ablehnung der Europäischen Union als angebliche Regulierungsmaschine. - Und da ist die AfD wahrscheinlich der einfachste Partner, den man gewinnen kann, um für Unruhe zu sorgen, für Chaos zu sorgen - sagte Fuchs.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm sieht darin jedoch einen Fehler. - Die AfD ist ja keine klar wirtschaftsliberale Partei - sagte sie im ARD-Fernsehen. Ihrer Meinung nach ist Musk weniger an den Ideen von Identitarismus oder völkischem Denken interessiert als an freiem, ungeregeltem Unternehmertum.
Andererseits – ähnlich wie die AfD – schimpft er oft über die Woke-Bewegung. Er verbreitet auch Verschwörungsmythen, wie den "großen Austausch", wonach europäische Eliten die einheimische Bevölkerung durch Menschen aus anderen Weltregionen ersetzen wollen.