Neue Superwaffen: Artillerierevolution erreicht 100‑km-Marke
Westliche Rohrartillerie hat derzeit eine Reichweite von etwa 30-40 km. Dank spezieller Geschosse kann man etwas weiter schießen, aber die neuesten Entwicklungen der Waffenkonstrukteure werden es ermöglichen, dass Artilleriegeschosse Ziele in einer Entfernung von 100 und mehr Kilometern zerstören. Vor unseren Augen geschieht eine Artillerierevolution, und der "Gott des Krieges" wird immer mächtiger.
15.09.2024 19:01
Vor Jahrhunderten wurde die Artillerie als "ultima ratio regum" (das letzte Argument der Könige) bezeichnet. Dieser Schriftzug – manchmal in leicht veränderter Form – zierte einst die Kanonen der Könige von Frankreich und Preußen, obwohl die Rolle der Artillerie auf dem Schlachtfeld vor Hunderten von Jahren geringer war als heute.
Heute wird die Artillerie nicht ohne Grund als "Gott des Krieges" bezeichnet. Die Kämpfe in der Ukraine zeigen, dass gerade das Artilleriefeuer – je nach Quelle – für 60-80 % der Verluste an Menschen und Ausrüstung verantwortlich ist. Die Artillerie entscheidet über das Schicksal von Schlachten und Kampagnen.
Die Konfrontation westlicher und russischer Artillerie zeigt dabei, dass der Westen – obwohl der Kaliberdurchmesser seiner am weitesten verbreiteten Haubitzen 155 mm gegenüber 152 mm bei russischer Ausrüstung nur geringfügig größer ist – Waffen entwickelt und implementiert hat, die deutlich weiter schießen als ihre russischen Äquivalente.
Reichweite der im Kampfeinsatz eingesetzten Artillerie
Die am häufigsten eingesetzten russischen 152-mm-Haubitzen wie die 2S3 Akacija haben eine Reichweite von 19-20 km. Das turmlose Artilleriesystem 2S5 Giatsint schießt etwa 28 km, und 2S19 Msta erreicht 24-29 km. Systeme mit größerer Reichweite, vergleichbar mit westlicher Artillerie, wie das 2S35 Koalitsiya-SV, dessen staatliche Tests 2023 abgeschlossen wurden, sind derzeit noch sehr selten.
Westliche 155-mm-Haubitzen mit 52-Kaliberrohren wie Krab, PzH 2000, AS90, FH77BW Archer oder Caesar können auf Entfernungen von bis zu etwa 30 km feuern. Dieser Wert kann auf zirka 40 km erhöht werden, wenn Munition mit Gasgenerator verwendet wird.
Dies ist keine zusätzliche Antriebskraft, sondern eine Lösung, die Luftverwirbelungen hinter dem fliegenden Geschoss reduziert, wodurch deren Reichweite vergrößert wird. Eine größere Reichweite wird jedoch in diesem Fall mit einer geringeren Masse der Gefechtsladung und – auf großen Entfernungen – mit einer geringeren Genauigkeit erkauft.
In geringen Mengen haben auch spezielle Geschosse die Ukraine erreicht, die eine Reichweite von etwa 60 km ermöglichen. Dies wird auf verschiedene Weise erreicht – das amerikanische Geschoss M549A1 hat einen zusätzlichen Raketenantrieb, und das schwedisch-amerikanische Geschoss M982 Excalibur ausfahrbare aerodynamische Flächen.
Der derzeitige Reichweitenrekordhalter im Kampfeinsatz ist die italienisch-deutsche Vulcano 155 GLR – die aerodynamisch optimierte Form und der kleinere Kaliber des Geschosses verringern den Luftwiderstand, was eine Reichweite von bis zu 70-80 km ermöglicht.
Bahnbrechende Arbeiten von Gerald Bull
Dies ist jedoch nicht das Maximum, das moderne Artillerie erreichen kann. Obwohl man seit jeher versucht, die Schussreichweite zu erhöhen, können die Errungenschaften von Gerald Bull, einem kanadischen Ballistiker, als moderner Durchbruch angesehen werden.
Die in den 1970er Jahren von ihm entwickelte Haubitze GC-45 ermöglichte das Schießen auf Entfernungen von 30-40 km (je nach gewöhnlicher Munition und Munition mit Gasgenerator), während die Reichweite der damaligen Artillerie etwa 10 km kürzer war.
Gerade die GC-45 – obwohl nur in kleiner Stückzahl hergestellt (ein Teil davon gelangte etwa in den Irak) – bestimmte die Richtung der modernen Artillerieentwicklung, indem sie die Schussreichweite durch Verlängerung des Rohres und Verbesserung der Munition erhöhte.
Rekordreichweite moderner Artillerie
Heutige Schlüssellieferanten von Artilleriesystemen und Munition verfolgen diese Entwicklung weiter, indem sie in experimentellen Haubitzen die Rohrlänge erhöhen, deren Konstruktion verstärken oder Treibsätze optimieren, um den Gasdruck der Treibladung zu erhöhen, was zu einer höheren Geschossgeschwindigkeit und Reichweite führt.
Ein gutes Beispiel sind die Tests des Unternehmens Rheinmetall in Südafrika, wo Artilleriemunition mit verlängerter Reichweite Assegai V-LAP (Velocity Enhanced Artillery Projectile) entwickelt wird, die Schüsse auf Entfernungen von 80 km ermöglicht. Ein noch besseres Ergebnis erzielte das britische Unternehmen BAE Systems, das für 155-mm-Munition eine Reichweite von 100 km meldete.
Ähnliche Arbeiten wurden auch von den Amerikanern im Rahmen des Programms Extended Range Cannon Artillery (ERCA) durchgeführt, aber aus Kostengründen wurden die Arbeiten Anfang 2024 eingestellt. Bei den Tests wurde eine Reichweite von etwa 110 km erreicht.
Aufklärung genauso wichtig wie die Schussreichweite
Damit die zunehmende Reichweite der Artillerie eine echte Bedeutung hat, ist der Einsatz entsprechender Aufklärungsmittel erforderlich, die die Entdeckung und Identifizierung von Zielen aus Dutzenden von Kilometern Entfernung ermöglichen.
Während für statische Objekte die Satellitenaufklärung diese Rolle übernehmen kann, ist für bewegliche Ziele eine fast Echtzeit-Beobachtung notwendig. Diese Rolle kann von der Luftaufklärung, Artillerieradaren oder zunehmend eingesetzten unbemannten Fluggeräten übernommen werden, die mit immer besseren Beobachtungsmöglichkeiten ausgestattet sind.