Rechtsruck in Österreich: Kickl vor der Kanzlerschaft
In Österreich könnte der rechtsextreme Politiker Herbert Kickl Bundeskanzler werden, da es den zerstrittenen demokratischen Parteien nicht gelungen ist, eine Regierung zu bilden. Kommentatoren warnen vor einem ähnlichen Szenario in Deutschland nach der Bundestagswahl im Februar.
Die Mitte-Parteien haben die Gelegenheit zur Einigung verpasst, und es hat sich gezeigt, dass nur eine Regierung unter der Führung von Herbert Kickl möglich ist, bemerkt Verena Mayer in der "Süddeutschen Zeitung". Österreich ist ein kleines Land, aber in der Vergangenheit diente es als Laboratorium politischer Prozesse, fährt die Autorin fort und erinnert daran, dass in den 90er Jahren mit Jörg Haider der europäische Rechtspopulismus geboren wurde.
In Österreich wird ein Szenario umgesetzt, bei dem ohne Beteiligung oder gar führende Rolle teils extrem rechter Parteien keine Regierung gebildet werden kann. Bundeskanzler könnte ein Mann werden, der das Volk vor den „Eliten“ schützen will. Kickl hat die ohnehin schon rechtsextreme Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) noch weiter nach rechts verschoben, indem er die Annäherung eines Teils der Partei an Neonazis und Verschwörungstheoretiker zugelassen hat.
Mayer hob hervor, dass es für Deutschland wichtig sei, die politischen Entwicklungen im benachbarten Land, das bei Deutschen als beliebtes Urlaubsziel gilt, aufmerksam zu verfolgen. Obwohl die Situation zunächst ungewöhnlich und von Skandalen geprägt wirkt, verdeutlicht sie tatsächlich den Niedergang der traditionellen Volksparteien und den schnellen Aufstieg rechtspopulistischer und extrem rechter Bewegungen. Dies könnte auf einen Trend hinweisen, der möglicherweise in einigen Monaten auch in Deutschland sichtbar wird.
Der Kommentator des "Tagesspiegel" warnt, dass das Übernehmen von rechtspopulistischen Ansichten durch andere Parteien keine erfolgreiche Strategie darstellt. Er betont, dass radikale Parolen von demokratischen Parteien antidemokratische Kräfte stärken könnten.
Nikolas Busse schreibt in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", dass die FPÖ nicht nur den Kurswechsel der ÖVP für sich nutzt, sondern vor allem die allgemeine Uneinigkeit der Mitte-Parteien. Der österreichische Präsident Alexander Van der Bellen sah sich daher gezwungen, Kickl mit der Regierungsbildung zu beauftragen.
Vor dem Hintergrund der rechtspopulistischen Welle, die viele westliche Gesellschaften erfasst hat, ist Österreich eine Ausnahme, da die FPÖ bereits mehrfach an der Regierung beteiligt war. Dies betrifft sowohl die Bundesregierung in Wien als auch Koalitionen auf Länderebene. Neu hingegen ist, dass die Partei nun die Chance hat, das Amt des Bundeskanzlers zu übernehmen.
Sogar das ist in Europa nichts Außergewöhnliches mehr. Die Zeiten, in denen andere EU-Länder Österreich wegen der Beteiligung der FPÖ an der Regierung Sanktionen auferlegten, sind längst vorbei. Heute hat die Partei sogar Verbündete in Brüssel.
Warnung für andere Länder?
Simone Schmollack von der "Tageszeitung" schreibt, dass die Koalitionsgespräche in Österreich gescheitert sind und dem Land die Übernahme der Regierung durch einen rechtsextremen Kanzler droht. Sie hebt hervor, dass die demokratischen Parteien in Deutschland vorsichtig sein sollten, um zu verhindern, dass sich die Entwicklungen in Österreich auch in ihrem eigenen Land wiederholen.
Am Beispiel Österreichs sieht man, was passieren kann, wenn die demokratischen Parteien nicht in der Lage sind, sich zu einigen.
Die "Tageszeitung" weist darauf hin, dass sich in Österreich ein neuer Nationalismus abzeichnet, der Elemente wie Neoliberalismus, verstärkte Fremdenfeindlichkeit und eine zunehmende Distanz zu Europa umfasst. Dies wird als Warnsignal für Deutschland betrachtet und als Aufruf verstanden, sich aktiv gegen rechte Strömungen zu engagieren.
Laut der Kommentatorin betrifft der Alarm insbesondere die demokratischen Parteien, die sich nach den Parlamentswahlen in Deutschland am 23. Februar auf schwierige Koalitionsverhandlungen einstellen müssen.
Die "Welt" stellt fest, dass die Position der FPÖ in vielen Fragen mit den Forderungen rechtsextremer Bewegungen übereinstimmt. Die von Kickl geführte Partei ist gegen Impfungen, offen für eine Annäherung an Russland und spricht von einer Abkehr von der EU. Im Jahr 2016 unterzeichnete sie einen Freundschaftsvertrag mit der Kreml-Partei Einiges Russland. Die "Welt" weist auf Bedenken westlicher Geheimdienste gegenüber den österreichischen Diensten hin. Dienste aus anderen Ländern richten Warnungen vor Anschlägen an österreichische militärische Einrichtungen und nicht an den österreichischen Geheimdienst (DSN).