Ukrainer treffen Russlands Pulverzentrum: Produktionsengpass droht
Die Ukrainer setzen ihre Drohnenangriffe auf Schlüsselobjekte tief im Inneren von Russland fort. Diesmal griffen Drohnen unter anderem eine Nitrocellulosefabrik in der russischen Stadt Kasan an. Wir erklären, warum dies ein sehr wichtiges Ziel ist.
Nach den Angriffen auf die Ölindustrie Russlands setzen die Ukrainer ihre Drohnenangriffe auf andere Sektoren der russischen Industrie fort. Nachdem zuvor Destillerien und chemische Anlagen zur Produktion von Sprengstoffen in Tula betroffen waren, nimmt nun die Nitrocellulosefabrik in Kasan, etwa 1000 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, in den Fokus.
Mehrere Gebäude wurden getroffen, und die Verluste sind bisher unbekannt. Dies zeigt jedoch, dass die Russen auch nach Monaten der Drohnenangriffskampagne immer noch Probleme haben, alle wichtigen Objekte in ihrem tiefen Hinterland zu sichern. Dies zwingt sie, zwischen dem Verzicht auf den Schutz solcher Objekte und der Notwendigkeit, einen Teil der Ausrüstung samt Personal von der Front abzuziehen, zu wählen.
Im Fall des Objekts in Kasan war mindestens ein Panzir-S1-System aktiv, worauf die Anwesenheit abgebrannter Booster zweistufiger Raketen 57E6 in der Umgebung hinweist. Dies reichte jedoch nicht aus, und mindestens einige Drohnen der "Bóbr"-, UJ-22 "Airborne"- oder "Rubaka"-Reihe konnten eindringen.
Nitrocellulose – Schlüsselbestandteil von Munition
Nitrocellulose ist der Hauptbestandteil der meisten Pulver, die bei der Munitionsherstellung verwendet werden. Nitrocellulose kann entweder der Hauptbestandteil des Pulvers (sogenanntes einbasiges Pulver) oder nur einer der Bestandteile (mehrbasiges Pulver) sein. Ohne Pulver gibt es keine Munition für Rohrwaffen jeglicher Art, da es durch seine gezielte Verbrennung den Druck erzeugt, der das Geschoss aus dem Lauf eines Gewehrs, einer automatischen Kanone, eines Panzers oder einer Haubitze treibt.
In den letzten Jahren sind zwar sogenannte Kompositpulver auf der Basis von z.B. Hexogen entstanden, aber für viele Hersteller bleibt Nitrocellulose der Schlüsselfaktor. Zudem ist die Produktion sehr komplex, da schon die kleinsten Änderungen in der Zusammensetzung des Pulvers die Munition entweder unwirksam oder sogar gefährlich für die Bedienung machen können.
Zum Beispiel würde zu schwaches Pulver dafür sorgen, dass das abgefeuerte Geschoss eine geringere Mündungsgeschwindigkeit hat, was bei der Artillerie etwa zu einer zu kurzen Reichweite führen würde. Umgekehrt kann eine zu starke Ladung den Lauf oder den Verschluss der Kanone zum Bersten bringen.
Es ist auch anzumerken, dass Russland derzeit 60 Prozent seines Munitionsbedarfs mit Lieferungen aus Nordkorea deckt, da die lokalen Produktionskapazitäten nicht ausreichen. Auch wenn es kurzfristig möglich ist, etwa die Produktion gegossener Geschosshüllen oder Bomben zu steigern, ist es bei Sprengstoffen oder Schießpulver viel schwieriger.
Aus diesem Grund wird jeder erfolgreiche Angriff auf solche Zentren die Produktionskapazitäten erheblich beeinflussen. Zudem müssen die Russen Einheiten zum Schutz solcher Zentren abstellen, die andernfalls in der Ukraine stationiert sein könnten.