Ukrainische Guerillas schlagen tief im Herzen Russlands zu
Russische Angriffe fordern die letzten Reserven der ukrainischen Verteidiger heraus. Doch dort, wo ein offener Kampf nicht zu gewinnen ist, kehrt die bewährte Taktik des Guerillakriegs gegen einen stärkeren Gegner zurück. Die Ukraine verteidigt sich nicht nur, sondern kontert – und das immer tiefer auf russischem Territorium, manchmal Hunderte Kilometer von der Frontlinie entfernt.
Seit dem frühen Frühjahr 2025 hat die Ukraine ihre Spezial- und Sabotageoperationen im russischen Hinterland erheblich intensiviert. Es handelt sich hierbei nicht um eine neue Strategie, sondern um die Fortsetzung von Maßnahmen, die bereits 2022 eingeleitet wurden. Ukrainische Streitkräfte haben den Feind erfolgreich auf der Krim und in den südlichen Bezirken Russlands destabilisiert. Aufsehen erregten Angriffe auf die Krim-Brücke sowie Flughäfen in Engels, Taganrog oder in der Basis von Szczykow, doch dies war nur ein Teil eines größeren Ganzen. Auch präzise Schläge auf Munitionslager, Bahngleise, Umspannwerke und die gezielte Eliminierung russischer Offiziere und Kollaborateure waren Teil der Strategie.
Allein im ersten Quartal 2025 gab es mindestens ein Dutzend bestätigte erfolgreiche Sabotageakte in den Bezirken Brjansk, Belgorod und Kursk. Ihr Hauptziel war die Störung von Eisenbahn- und Logistiklieferungen an die Frontlinien. Manchmal reichte eine gesprengte Eisenbahnbrücke aus, um Lieferungen um Tage oder Wochen zu verzögern – in Kriegszeiten kann dies den Unterschied zwischen dem Halten oder dem Verlust einer Position bedeuten.
Spezialeinheiten – das Rückgrat des stillen Widerstands
Die Fähigkeiten der Ukraine im Bereich der irregulären Kriegsführung sind kein Zufall. Ihr Ursprung reicht in den Donbass-Krieg zurück, als Kiew nach 2014 erkannte, dass es Russland in einem klassischen Frontalangriff nicht besiegen konnte. Damals begann der Aufbau von Strukturen der Speziellen Operationskräfte (SOF) – leise, unauffällig, aber konsequent.
Bis 2021 umfassten die Speziellen Operationskräfte über 5.000 Berufssoldaten. Inzwischen ist ihre Zahl gestiegen, und sie werden zusätzlich von Hunderten Partisanen und Agenten, die auf dem Territorium der Russischen Föderation operieren, sowie lokalen Sabotagegruppen unterstützt. Sie sind verantwortlich für eine Reihe koordinierter Angriffe auf Objekte der kritischen Infrastruktur, Versorgungslinien, Treibstofflager, Kommandozentralen und logistische Knotenpunkte.
Operationen tief im russischen Territorium
Besonders gewagt waren die Operationen im tiefen Hinterland. In den letzten Monaten wurden allein acht Viadukte und Eisenbahnbrücken an wichtigen russischen Verkehrswegen zerstört. Jeder solcher Sabotageakt erfordert Umleitungen, blockiert die Lieferung von Ausrüstung und Munition und zwingt das russische Kommando, zusätzliche Kräfte zum Schutz der Infrastruktur abzustellen – auf Kosten der an der Front verfügbaren Kräfte.
Die internen Reaktionen in Russland sind nervös. Lokale Behörden führen zusätzliche Patrouillen ein, installieren Überwachungssysteme und fordern verstärkte Bürgerwachsamkeit. In den sozialen Medien mehren sich Stimmen zur Bloßstellung des FSB und des militärischen Konterintelligenzzentrums. Die bisher passive russische Gesellschaft erkennt allmählich, dass der Krieg nicht mehr nur "irgendwo weit weg" stattfindet.
Asymmetrischer Krieg – Echo der Geschichte und Moderne
Der Guerillakrieg ist keine neue Erfindung. Die Polen führten ihn während der Aufstände des 19. Jahrhunderts, die Amerikaner im Unabhängigkeitskrieg und die Vietnamesen im Konflikt gegen die Vereinigten Staaten. Heute schöpft die Ukraine aus dieser Tradition die effektivsten Methoden: Dezentralisierung der Aktionen, taktische Initiative und operative Flexibilität.
Der Unterschied liegt in den Mitteln. Die Ukrainer nutzen Drohnen, Satellitensysteme, präzise Sprengladungen und digital gesammelte Daten. Informationen über Zug- und Truppentransporte stammen oft aus Wetter-Apps, GPS-Systemen und sogar aus öffentlichen Quellen im Internet. Zivile Technologien werden mit erstaunlicher Effizienz für militärische Zwecke adaptiert.
Der britische Geheimdienst hat bestätigt, dass ukrainische Spezialkommandos bei einem Überfall in einen russischen Militärstandort im Bezirk Rostow eindringen konnten und dort Ortungsgeräte installiert haben, was einen präzisen Luftschlag ermöglichte.
Spektakuläre Operationen
Der Höhepunkt der neuen Welle von Spezialoperationen war eine Aktion im Juni 2025, durchgeführt von UH-60 Black Hawk Hubschraubern. Ukrainische Spezialeinheiten unternahmen einen blitzschnellen Überfall auf russisches Territorium im Bezirk Belgorod. Innerhalb von weniger als einer Viertelstunde zerstörten sie ein Kommandozentrum und ein Treibstofflager. Alle Hubschrauber kehrten unversehrt zurück. Der Flug erfolgte in extrem niedriger Höhe, was eine Entdeckung durch die russische Luftverteidigung verhinderte.
In Russland brach ein medialer Sturm aus. Die Zentralbehörden versuchten, die Angelegenheit herunterzuspielen, aber lokale Verwaltungen und die Gesellschaft waren schockiert. Das Netz wurde mit Memes und Vergleichen zu demütigenden Momenten der Tschetschenien-Kriege überschwemmt. Fragen tauchten auf: "Wo sind unsere Radare? Wie ist es möglich, dass NATO-Hubschrauber in unser Gebiet eindringen?"
Erosionskrieg – still, aber tödlich
Jeder solcher Angriffe hat nicht nur eine taktische, sondern auch eine psychologische und strategische Dimension. Für die ukrainischen Soldaten, die in den Schützengräben bei Awdiivka kämpfen, ist die Nachricht von einer erfolgreichen Operation tief in Russland ein Signal, dass das Land nicht nur verteidigt, sondern auch angreift. Dass die Ukraine trotz Munitions- und Personalmangel weiterhin fähig ist, Schläge zuzuführen. Für Russen dagegen wächst das Gefühl der Bedrohung, der Zerstreuung und des zunehmenden Chaos.
In westlichen Hauptstädten erinnern diese Sabotageaktionen daran, dass die Ukraine noch nicht gebrochen ist. Ganz im Gegenteil – sie ist in der Lage, eine moderne, koordinierte asymmetrische Kampagne zu führen. Das wirkt sich häufig auf Entscheidungen zu weiterer militärischer Unterstützung aus, denn es zeigt, dass die gelieferte Ausrüstung und Technologie mit großer Effizienz genutzt werden.
Dies ist kein Krieg der spektakulären Siege, sondern einer der Erschöpfung und Erosion der feindlichen Kräfte. Jede gesprengte Brücke, jedes zerstörte Lager, jede Stunde Verzögerung ist ein weiterer Schritt in Richtung des Zerfalls der russischen Kriegsmaschinerie. Russland erlebte bereits die Folgen einer solchen Strategie in Afghanistan. Jetzt erinnert die Ukraine daran auf russischem Territorium.