NachrichtenItalien vor der Entscheidung: Wer darf dazugehören?

Italien vor der Entscheidung: Wer darf dazugehören?

Millionen könnten endlich Staatsbürger werden – doch das Schicksal des Referendums hängt am seidenen Faden.

Premierministerin von Italien Georgia Meloni
Premierministerin von Italien Georgia Meloni
Bildquelle: © GETTY | NurPhoto

Fakten kompakt:

  • Das Referendum will die Wartezeit für Einbürgerung von 10 auf 5 Jahre verkürzen – wie in vielen anderen EU-Ländern.
  • Betroffen wären bis zu 2,5 Millionen Menschen – darunter rund 300.000 Kinder.
  • Die Abstimmung ist nur gültig, wenn über 50 % der Wahlberechtigten teilnehmen – die Beteiligung dürfte allerdings zu gering ausfallen.
  • Die Regierung lehnt das Vorhaben strikt ab. Premierministerin Giorgia Meloni ruft zum Boykott auf und spricht von "Identitätsverkauf".

Italien stimmt über eine Frage ab, die Millionen bewegt: Wer darf sich Italiener nennen? Am Sonntag und Montag entscheiden die Bürger, ob langjährige Migrantinnen und Migranten schneller eingebürgert werden sollen.

Aktuell braucht es 10 Jahre Aufenthalt, um überhaupt einen Antrag stellen zu dürfen. Künftig könnten es nur noch fünf sein – ein Schritt, der Italien europäisch angleichen würde. In Deutschland oder Frankreich ist das längst Normalität.

Doch trotz der Tragweite droht das Referendum zu scheitern – weil zu wenige wählen gehen. Premierministerin Giorgia Meloni selbst will zwar zum Wahllokal, aber bewusst leer wählen. "Wenn man anderer Meinung ist, kann man sich auch enthalten", sagte sie im Fernsehen. Viele aus ihrem rechten Lager fordern: "Lieber an den Strand als ins Wahllokal!"

Für Aktivistinnen und Aktivisten ist das ein Schlag ins Gesicht. Sie sagen: Menschen, die hier leben, arbeiten, Steuern zahlen – aber nicht wählen dürfen –, würden weiter ignoriert. Der Politologe Maarten Vink bringt es auf den Punkt: "In einer Demokratie darf politische Teilhabe nicht am Pass hängen."

Für viele ist es auch persönlich. Sonny Olumati wurde in Rom geboren – aber Italien erkennt ihn bis heute nicht als Staatsbürger an. "Ich werde hier sterben. Aber ohne Staatsbürgerschaft ist es, als würde dich dein eigenes Land ablehnen", sagt der 39-Jährige. Abstimmen darf er nicht.

Auch Insaf Dimassi kennt das Gefühl, nicht dazuzugehören. Ihre Eltern kamen legal nach Italien, sie selbst lebt seit dem Säuglingsalter im Land. Doch als sie 18 wurde, war es zu spät, um automatisch mit eingebürgert zu werden. Heute ist sie Doktorandin – aber immer noch ohne Pass.

Während rechte Politiker wie Roberto Vannacci vor einem "Ausverkauf der Staatsbürgerschaft" warnen, sagen Unterstützer: Es geht um Zugehörigkeit, nicht um Passvergabe im Ausverkauf. "Dieses Referendum steht für Würde und das Recht, dazuzugehören", so Diversity-Aktivistin Michelle Ngonmo.

Kritik gibt es auch an der staatlichen Medienlandschaft: Italiens öffentlich-rechtlicher Sender RAI soll das Thema bewusst kleingehalten haben – das bestätigte sogar die Medienaufsicht AGCOM.

Doch auch wenn das Referendum an der Hürde scheitert – die Bewegung ist nicht am Ende.

"Wenn sie mit Nein stimmen, bleiben wir trotzdem hier", sagt Sonny. "Dann machen wir eben den nächsten Schritt. Unsere Community ist Teil dieses Landes – ob mit Pass oder ohne."

Quellen: The Guardian, New York Times

Für Sie ausgewählt